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Rezeption

Texte zur Rezeption

Alle folgenden Texte aus den Theodor-Litt-Jahrbüchern, Leipziger Universitätsverlag, herausgegeben von Peter Gutjahr-Löser, Dieter Schulz und Heinz-Werner Wollersheim, werden nachstehend online als zitierfähige Quelle (pdf) zur Verfügung gestellt.


Heinz-Werner Wollersheim
Theodor Litt: Sinn – Kultur – Bildung Versuch einer Annäherung
Im Mittelpunkt dieses Vortrags steht die Frage nach der möglichen Aktualität des pädagogisch-kulturphilosophischen Ansatzes bei Theodor Litt. Der „Rückkehrer“, als den das Tagungsthema Litt heute anspricht, ist in Leipzig gewiß kein Unbekannter. Neben seinen Schriften und Vorträgen, neben den Erinnerungen seiner noch lebenden Schüler und Freunde und neben den Veranstaltungen, die ihm in den 90er Jahren hier in Leipzig gewidmet waren, hat nicht zuletzt die Polemik der frühen DDR dazu beigetragen, seinen Namen in Leipzig bekannt zu halten. In Erinnerung ist Litt als faszinierender Redner, als couragierter Hochschullehrer und, vor allem natürlich, als widerständiger Bürger unter zwei deutschen Diktaturen. Wäre dies alles, so wäre es sicherlich bereits mehr Grund als genug, Theodor Litt in der Geschichte der Universität Leipzig ein besonders ehrendes Andenken zu bewahren. weiterlesen

Heinz-Werner Wollersheim
Philosophie gegen Zeitgeist
Theodor Litts Behauptung der Philosophie als „Hüterin der Wahrheit” gegenüber dem Hegemonieanspruch von „Weltanschauung”

Wie begegnet ein Wissenschaftler dem Druck politischer Macht? In welchen Bereichen darf, in welchen Bereichen muß er sich mit welchen Mitteln engagieren? Und: Aus welchem Recht heraus kann und soll dies geschehen und gibt es Grenzen solcher Einmischung? Am Beginn des 21. Jahrhunderts sind Antworten auf diese Fragen schwierig geworden. Nicht nur, weil über „die” Stellung „der” Wissenschaft keinerlei Konsens mehr besteht, sondern auch, weil das Vertrauen in die Möglichkeit eines wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses unabhängig von Interessenlagen und kulturellen und historischen Rahmenbedingungen geschwunden ist: Spätestens seit der Postmoderne-Debatte der achtziger Jahre kursiert die Überzeugung, daß Wissenschaft keineswegs Selbstzweck sei, sondern ihrerseits von einer Metaerzählung getragen werde, die erstens die Richtung des gesellschaftlichen Fortschritts definiere und zugleich zweitens dem Prozeß wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns einen spezifischen Sinn zuweise, indem sie Antwort auf die Frage nach dem Wozu von Wissenschaft gibt. Solange man zuvor die Entdeckung eines als universal angenommenen und in der Welt angesiedelten Sinns zur Aufgabe wissenschaftlicher Erkenntnis machen konnte, hatte man zumindest hierin einen archimedischen Punkt, von dem aus die Wissenschaft ein unabhängiges Wächteramt gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen begründet werden konnte. weiterlesen

Wolfgang Klafki
Bleibende Bedeutung und Grenzen der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik am Beispiel Theodor Litt
I. Einleitung
Mein Vortrag ist nicht direkt und durchgehend auf das Zentralthema dieser Tagung, die Frage nach Litts Stellung zum Nationalsozialismus und seiner Auseinandersetzung mit ihm bezogen. Aber er mündet mehrfach in diese Fragestellung aus oder ein. Denn Litt ist unter den Vertretern Geisteswissenschaftlicher Pädagogik derjenige gewesen, der vor 1933 und danach in beispielhafter Klarheit und Offenheit bekundet hat, daß sein philosophisches und pädagogisches Denken und sein damit zusammenhängendes Politikverständnis unvereinbar mit grundlegenden Elementen nationalsozialistischer Weltanschauung war, und er ist in dieser Hinsicht zu keinem Zeitpunkt — in deutlichem, von Litt allerdings nie betonten Unterschied zu anderen Vertretern der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik — sei es verharmlosenden Fehleinschätzungen des Nationalsozialismus aufgesessen, sei es zu taktischen Kompromissen bereit gewesen. Die Schwerpunkte meines Vortrages habe ich unter folgender Fragestellung ausgewählt: In welchen Dimensionen hat Litt — nach meiner Einschätzung, die ich hier zur Diskussion stelle, und ohne Anspruch auf Vollständigkeit — originale Beiträge zur Entwicklung der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik geleistet? weiterlesen


Wolfgang Klafki
Theodor Litt und Herman Nohl 1925-1960. Zur Entwicklung ihrer Freundschaft. Eine Korrespondenz-Analyse

1. Zum historischen Hintergrund des Briefwechsels zwischen Litt und Nohl: Quellenlage und Forschungsstand Der Tatbestand, dass es zwischen Theodor Litt und Herman Nohl mindestens seit dem letzten Drittel der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts einen über nahezu dreieinhalb Jahrzehnte andauernden Briefwechsel gegeben hat, ist, soweit ich sehe, bisher in der Literatur nur sporadisch angesprochen worden. Selbst in Elisabeth Blochmanns eindrucksvoller, feinfühliger Nohl-Biografiel kommen zwar einige wichtige Aspekte dieser Beziehung zur Sprache; aber der relativ kontinuierliche Gesamtprozess dieser Beziehung, die vor allem in Briefen und Postkarten und der wechselseitigen Zusendung vieler Publikationen beider zum Ausdruck kommt, ist von Frau Blochmann nicht dargestellt, besser: dessen Nachzeichnung von ihr auch nicht angestrebt worden. Das Vorhaben, diesen Korrespondenz-Prozess der beiden Philosophen und Pädagogen in seinen drei Hauptphasen — während der zweiten Hälfte der Weimarer Republik, der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und den anderthalb Jahrzehnten der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland —nachzuzeichnen und sowohl hermeneutisch zu interpretieren als auch kritisch zu kommentieren, stößt allerdings an deutliche Grenzen: Auf der Seite Litts liegen zwar 73 Briefe und Postkarten — beginnend mit einem Brief Litts vom 24.6.1927 — vor; allerdings fehlen, ohne ermittelba-re Gründe, entsprechende Dokumente aus den Jahren 1928, 1930, 1936, 1939 und 1946 sowie für die Spanne zwischen dem 15.1.1956 und dem 6.3.1958. Das letzte Dokument ist eine Postkarte Litts an Nohl vom 23.l.1960. Überdies ist dem ersten, erhalten gebliebenen Brief Litts an Nohl vom 24.6.1927 zu entnehmen, dass mindestens ein vorangehendes Postdokument verloren gegangen sein muss. Hinsichtlich Nohls sind insgesamt nur 5 Briefe bzw. Postkarten aus dem Zeitraum zwischen dem Ende des Jahres 1940 und dem Jahr 1955 erhalten. Die Gründe für die großen Lücken habe ich nicht ermitteln können. weiterlesen

Stefan Danner
Theodor Litts Zeittheorie

Theodor Litts Werk ist von zahlreichen zeittheoretischen Gedanken durchzogen. Dies zeigen beispielsweise seine Bücher „Individuum und Gemeinschaft”, „Führen oder Wachsenlassen”, „Denken und Sein” sowie „Freiheit und Lebensordnung”. Bereits die Inhaltsverzeichnisse dieser Schriften weisen auf Litts zeittheoretisches Anliegen hin. In „Individuum und Gemeinschaft” lauten die einschlägigen Kapitelüberschriften: „Ich-Erlebnis und Zeit”, „Die Individualität des Lebensmoments”, „Zeit und Raum im objektivierenden Denken”. Das Inhaltsverzeichnis von „Führen oder Wachsenlassen” kündigt unter anderem folgende Themen an: „Die Vorwegnahme der Zukunft”, „Die Kanonisierung der Gegenwart” und „Die Idealisierung der Vergangenheit”. Das zehnte Kapitel von „Denken und Sein” ist eigens dem Thema „Zeit” gewidmet. Dort gibt Litt den einzelnen Abschnitten folgende Titel: „Die zeitliche Erhebung zum Zeitlosen”, „Die objektivierte Zeit”, „Die Zeit und ihr Gedachtwerden”. Und einer der Schlussabschnitte von „Freiheit und Lebensordnung” trägt die Überschrift „Zeitliches und Überzeitliches”. Im folgenden möchte ich einige zeittheoretische Zusammenhänge zwischen zwei Büchern von Theodor Litt herausarbeiten. Gemeint sind die Abhandlungen „Individuum und Gemeinschaft” und „Führen oder Wachsenlassen”. Beide Schriften sind in derselben Schaffensperiode veröffentlicht worden: die 3. Auflage von „Individuum und Gemeinschaft”, auf die ich mich beziehe, im Jahre 1926, das Buch „Führen oder Wachsenlassen” im Jahre 1927. Zunächst werde ich einige markante pädagogische und zugleich zeittheoretische Aussagen aus „Führen oder Wachsenlassen” präsentieren. Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Zeittheorie in „Individuum und Gemeinschaft”. Und im Mittelpunkt des dritten Abschnitts stehen die zeittheoretischen Verbindungsstücke zwischen „Führen oder Wachsenlassen” und „Individuum und Gemeinschaft”. weiterlesen

Stefan Danner „Einführung” oder„Kunst”?
Theodor Litt und John Dewey
über Analogien in der pädagogischen Theorie
John Dewey (1859 — 1952) und Theodor Litt (1880 — 1962) zählen zu den Klassikern der Pädagogik. Vergleicht man die Forschungsinteressen von Litt und Dewey, so zeigen sich bemerkenswerte Gemeinsamkeiten: Beide haben das Programm einer philosophischen Pädagogik verfolgt. Beide haben sich intensiv an Debatten über den Zusammenhang von Pädagogik und Demokratie beteiligt. Und beide haben sich ausführlich mit der Beziehung von Pädagogik, Philosophie, Naturwissenschaften und Technik befasst. Im Rahmen ihrer erziehungsphilosophischen Abhandlungen haben Litt und Dewey unter anderem vier typische pädagogische Analogien untersucht:
• Erziehung als Technik,
• Erziehung als Führung,
• Erziehung als Wachsenlassen,
• Erziehung als Kunst. Auch diese Parallele zwischen Litt und Dewey ist interessant. Noch interessanter ist allerdings, dass beide zu völlig verschiedenen Analyseergebnissen kommen: Litt verwirft die vier Analogien; Dewey begrüßt sie. — Warum das so ist, soll im Folgenden genauer beschrieben werden. Erziehung als Technik? Wir beginnen mit den Analysen zum Technikbegriff. Beachtenswert sind zunächst die Übereinstimmungen zwischen Dewey und Litt. Sie betreffen die Bedeutung von Individualität und Unwiederholbarkeit in der Pädagogik und den Zusammenhang von pädagogischen Mitteln und Zielen:
Dewey und Litt sind der Auffassung, dass es in der pädagogischen Praxis immer um die Auseinandersetzung mit einzigartigen und unwiederholbaren Situationen geht. weiterlesen

Rudolf Lassahn
Theodor Litts Sicht des Verhältnisses von Philosophie und Pädagogik

Theodor Litt hat nie eine Allgemeine oder systematische Pädagogik geschrieben, auch keine Bildungstheorie oder Allgemeine Didaktik; seine Hauptwerke befassen sich alle mit systematischen philosophischen Problemen. Litts wissenschaftliches Werk hat seinen unverkennbaren Schwerpunkt in der systematischen Erschließung philosophischer Grundeinsichten, dem Aufbau einer Philosophie des Geistes, einer autonomen Anthropologie und der Reflexion auf das System der Wissenschaften, d.h. der Wissenschaftstheorie. In einer frühen Studie stellte er lapidar fest, es gebe für die Pädagogik „noch keine wissenschaftliche Begründung und Durchbildung”, erst in der Zukunft sei „vor allem erst einmal Begründung und methodische Festlegung ihres eigenen wissenschaftlichen Charakters” zu erwarten. „Eine wissenschaftliche Theorie der Pädagogik (habe noch) um ihre Anerkennung zu ringen”‘ Es gab kaum Lehrstühle für Pädagogik allein, in Preußen einen, in Frankfurt an der Oder besetzt mit Ziehen, in Sachsen hatte Wilhelm Rein in Jena einen Lehrstuhl und in Leipzig gab es einen für Philosophie und Pädagogik, den Spranger hatte und schließlich einen in München, besetzt mit Friedrich Wilhelm Foerster. Pädagogik saß in den philosophischen Fakultäten, wenn überhaupt, dann nur als Bindestrichwissenschaft am Katzentisch. In den 20er Jahren ging es Litt und Troelsch überhaupt erst um eine Etablierung der Pädagogik in die philosophischen Fakultäten und um eine Zustimmung der Philosophen. Eine Anerkennung schien nur als ,rein theoretische Disziplin’ zu erreichen. weiterlesen

Konrad Krause
Theodor Litt und die Gründung der Pädagogischen Fakultät
an der Universität Leipzig 1946 pdf
Theodor Litt – sein Leben und Wirken in Leipzig
unter Betonung der Jahre zwischen 1945 und 1947 pdf

Michio Ogasawara
Die Rezeption Eduard Sprangers und Theodor Litts in Japan Vorbemerkungen Auf dem „X. Theodor Litt-Symposion”, das im Oktober 2006 in Leipzig stattfand, habe ich unter dem Titel „Die Rezeption der Pädagogik von Theodor Litt in Japan” einen Vortrag gehalten. In ihm habe ich als Fazit über die Rezeptionsgeschichte der deutschen Pädagogik in Japan folgendes festgestellt: Im Fall Japan wurden vor allem die pädagogischen Theorien derjenigen, die der Genealogie des pädagogischen Denkens von Wilhelm Dilthey nach den 1920-er Jahren angehörten, unter dem Konzept „Kulturpädagogik” zum Gegenstand der intensiven Diskussionen und weitgehend rezipiert. Hierbei handelt es sich vor allem um den Kreis an Wissenschaftlern, die der so genannten „geisteswissenschaftlichen Pädagogik” angehörten. Repräsentative Vertreter hierfür waren Wilhelm Dilthey, Eduard Spranger und Theodor Litt. Bis zum Anfang der 30-er Jahre war die pädagogische Welt in Japan eindeutig durch deren Theorien geprägt. Während der Taisho-Periode, die durch die “Bewegung der Taisho-Demo-kratie” gekennzeichnet wird, zog die amerikanische Pädagogik allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Hier war es vor allem die Theorie von John Dewey. Sie gewann als pädagogische Theorie einen maßgeblichen Einfluss. Parallel dazu gewann aber die Rezeption der pädagogischen Theorie, die sich in der Tradition der Erziehungstheorie Wilhelm Diltheys befand und seit 1920 als „Kulturpädagogik” bezeichnet wurde, eine zunehmend vorherrschende Stellung. weiterlesen


Michio Ogasawara Zum Stand der Theodor-Litt-Forschung in Japan Einleitung Im Zusammenhang des X. Theodor-Litt-Symposion im Jahre 2006 habe ich einen Vortrag über das Thema „Die Rezeption der Pädagogik von Theodor Litt in Japan” gehalten. Dabei habe ich betont, dass insbesondere die Kulturpädagogik unter den damaligen deutschen „Pädagogi-ken” nachhaltig rezipiert wurde, da sie zur sozialen und kulturellen Situation sowie zum damit verbundenen Bildungszustand in den 1920er Jahren in Japan gepasst hat. In meinem Vortrag wurde festgestellt, dass vor allem die „Theorie der Kulturpädagogik der Dilthey-Schule” (1926) den Japanern ins Auge gefallen ist, und dass Dilthey, Spranger und Litt als Repräsentanten ihrer Schule angesehen wurden. Hierbei fand ich bemerkenswert, dass die 1920er Jahre als Gründungszeit der japanischen „akademischen Pädagogik” bezeichnet werden können, in der die „Wissenschaftstheorie der Pädagogik” für besonders wichtig gehalten wurde. Als Folge meiner Untersuchung wurde schließlich unterstrichen, dass die japanischen Pädagogen ihre Aufmerksamkeit auf Litt aufgrund seiner Bedeutung für die Methodologie der wissenschaftlichen Pädagogik gerichtet haben. weiterlesen

Kurt Aurin
Das Alter.
Reflexionen zweier pädagogisch engagierter Philosophen
Ein Büchlein von knapp 160 Seiten fiel mir beim Sichten meines Bücherbestandes in die Hände. Es trägt den Titel: „Der alte Mensch in unserer Zeit” und ist vor 50 Jahren erschienen. Erst wollte ich es zu den schon aussortierten Büchern legen, doch ich hatte dabei kein gutes Gefühl, denn ging sein Thema nicht doch direkt auch mich an!? Ich sah es genauer an und entdeckte darin als Einleitungsartikel eine Abhandlung von Theodor Litt und als vorletzten Artikel einen von Eduard Spranger. Beide Abhandlungen waren Vorträge aus einer Sendereihe des Süddeutschen Rundfunks; Lifts Beitrag wurde 1955 am 6. Juli, der von Spranger am 7. März 1958 gesendet. Theodor Litt war damals 74 1/2 Jahre alt, Eduard Spranger 73. Beide wussten also genau, wovon sie sprachen. Die Äußerungen beider Philosophen zum gleichen Thema reizten mich dazu, einen Vergleich anzustellen: (1) Welches waren die Ausgangs- und Ansatzpunkte in der Erörterung des Alters?
(2) Wie sahen sie das Alter? Welche Eigenschaften und besondere Fähigkeiten schrieben sie ihm zu?
(3) Was ist dem alten Menschen gegeben und aufgegeben?
(4) Unterscheiden sich beide Autoren in ihrem Vorgehen? — in ihrer Methode? … und schließlich:
(5) Gibt es Gemeinsamkeiten? — und — Welches sind ihre Grundeinstellungen? weiterlesen


Erich E. Geissler
Reflexion und Bildung
Studie zur Bildungskonzeption Theodor Lifts
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass zu Lite Individuum und Gemeinschaft drei Auflagen vorliegen. Das scheint zunächst nichts besonders Bemerkenswertes zu sein, denn andere Bücher von ihm sind in wesentlich mehr Auflagen erschienen. Dieser Sachverhalt erscheint indes in einem ganz anderen Licht, wenn man bemerkt, dass der Text der ersten Auflage und der der dritten (die zweite Auflage kann als eine Art Vorentwurf zur Auflage III angesehen werden) völlig differieren. Das heißt mit anderen Worten: Litt hat unter dem gleichen Titel zwei ganz verschiedene Texte publiziert. Zwar hat Litt später darauf gedrängt, nur die Auflage III zu beachten. Aber das löst die Frage nach dem Grund eines gleichen Titels für zwei unterschiedliche Texte natürlich nicht, denn die Auflage I ist ein in sich geschlossener und wissenschaftlich solide abgesicherter Text mit einem sehr interessanten Themenkreis. weiterlesen

Peter Gutjahr-Löser
Das Wirken Theodor Litts in Leipzig zwischen 1920 und 1947Litt zum Jubiläum der Universität Leipzig im Jahr 1959
Eva Matthes, Professorin für Pädagogik an der Universität Augsburg, schließt ihre Würdigung Theodor Litts, die in den von der Sächsischen Akademie der Wissenschaft herausgegebenen „Sächsischen Lebensbildem” erschienen ist, mit einem Zitat aus dessen Beitrag zur 550-Jahrfeier der Universität Leipzig in der in Frankfurt a. M. erscheinenden Ausgabe der „Leipziger Neuesten Nachrichten — Mitteldeutsche Rundschau” aus dem Jahr 1959:
„Für den Bürger der Stadt war das Haus am Augustusplatz seine Universität. Das rege geistige Leben der Stadt führte die Universitätslehrer mit den leitenden Persönlichkeiten von Verwaltung, Rechtsprechung, Kunst, Wirtschaftsleben wieder und wieder zusammen. Es genügt, die Namen ,Reichsgericht’, Gewandhaus’„Buchhändlerhaus’ zu nennen, um sich diese Symbiose zu vergegenwärtigen. … Es muss genügen, diese wenigen Züge anzudeuten, die der Universität Leipzig ihre charakteristische Physiognomie verliehen. Wer ihr in ihren guten Zeiten als Lehrender oder Lernender angehört hat, wird keine Mühe haben, sie zum Konterfei des Ganzen zu vervollständigen. Und diese Treue des Gedenkens — sie ist die einzige Gabe, die wir der Jubilarin darbringen können. Mit ihr verbindet sich die nicht zu unterdrückende Hoffnung, dass die Universität Leipzig doch wieder einmal das sein werde, was zu sein ihre Bestimmung ist: eine hohe Schule des Geistes, die das ganze deutsche Volk als die seinige anerkennt, weil sie nicht als Filiale eines auswärtigen Systems verwaltet wird und nicht die wissenschaftliche Wahrheit durch die Weisungen dieses Systems ersetzt, sondern in echter Freiheit des Geistes einzig ihrem Auftrage dient.”
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MIROSLAW S. SZYMANSKI
Die Rezeption Eduard Sprangers und Theodor Litts in Polen

Als ich erfahren habe, was das Thema meines Vortrags bei dem immerhin schon XII. Theodor Litt Symposion sein sollte, geriet ich in Bedenken. Über welche Rezeption sollte von Spranger und Litt in der polnischen Pädagogik —oder eher in der polnischen Geisteswissenschaft — die Rede sein? Beide waren ja nicht nur bedeutende Pädagogen, sondern auch hervorragende Geisteswissenschaftler, deren Denken in ganz Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt war. Heute sind sie in den polnischen Geisteswissenschaften nahezu total vergessen. Ihre Namen sind nur sehr selten in den Lehrbüchern aus dem Bereich der Pädagogik, Psychologie, Philosophie oder Theorie der Kultur etc. zu finden. Auch werden sie in akademischen Vorlesungen oder Diplomseminaren nicht erwähnt. Es ist leicht zu erfahren, dass ihre Namen den gegenwärtigen Studenten der zahlreichen Jahrgänge oder —noch schlimmer — den jüngeren Professoren absolut nichts mehr sagen. Ihre Biographien sind nur sehr knapp und ebenso allgemein. weiterlesen

FRANZ-MICHAEL KONRAD
Wissenschaft und akademische Bildung
Theodor Litt zur Bildungsbedeutung der Wissenschaft
und zur Rolle der Universitä
t 0.Einleitung Die Universitäten und die in ihnen betriebene wissenschaftliche Forschung und Lehre sind in unseren Tagen wieder zum Gegenstand eines allgemeinen, die Expertenzirkel hinter sich lassenden Diskurses geworden. Das ist eine vergleichbare Situation, wie wir sie seit den späten 1960er und den frühen 1970er Jahren nicht mehr erlebt haben. Der Eindruck, dies sei eine ganz neue Entwicklung und der Status davor mit einem lang andauernden Dornröschenschlaf der Universitäten vergleichbar, täuscht allerdings. Selbst wenn wir nur die jüngere Vergangenheit betrachten, zeigt sich: Auch in den 1970er und 1980er Jahren haben sich die Universitäten keineswegs in ruhigen Gewässern befunden. Nachdem die Universitätsgründungswelle der 1960er Jahre abgeebbt war und die politisch hoch aufgeladenen Kontroversen um die innere Verfassung des Hochschulwesens sich beruhigt hatten, der Muff aus den Talaren geklopft war, schien zwar vordergründig allein noch in der Bewältigung der stetig steigenden Studierendenzahlen eine letzte und große Herausforderung zu liegen. weiterlesen

WINFRIED TIMMERHAUS
Physikalisches Wissen als Voraussetzung zur Übernahme von Verantwortung.

Anmerkungen aus der Schulpraxis Theodor Litt und der Physikunterricht Die Auseinandersetzung mit Theodor Litt steht nicht primär im Interesse eines in der Schulpraxis stehenden Physiklehrers. Dennoch begegnet der Lehramtsstudent oder Studienreferendar des Faches Physik in seinem Studium der Person Litt z. B. in Veröffentlichungen, in denen die bildungstheoretische Legitimation des Physikunterrichts dargelegt wird’. Litts Verständnis von Naturwissenschaft wird in diesen Darstellungen häufig auf die Antinomie zwischen humanistisch-ästhetischer sowie naturwissenschaftlicher Sicht reduziert, ohne weitergehende Reflexionen seiner Abhandlungen zur Verantwortung der Naturwissenschaften vorzunehmen. Insbesondere wird nur selten in physikdidaktischen Darstellungen versucht, diese von Litt herausgestellte Antinomie’ konstruktiv zu nutzen und mit dem Wissen um diese Dialektik die Planung von Physikunterricht und den damit verbundenen Lehr-Lernprozessen erfolgreicher zu gestalten. weiterlesen

BARBARA DRINCK
Theodor Litt — ein Klassiker der Pädagogik?
Als der Historiker und Pädagoge Albert Reble 1951 in seiner „Geschichte der Pädagogik” postulierte, Klassiker gehörten zum festen Bestandteil des Universitätsstudiums, wusste er auch, dass Studierende diese Klassiker oft ablehnend als „eine etwas verstaubte, akademische Angelegenheit” bewerten. Heute und nicht nur vor mehr als 50 Jahren monieren angehende, aber auch bereits gestandene Erziehungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Studieninhalte, in denen sie keinen unmittelbaren Gewinn für ihre pädagogische Praxis vermuten und die ihnen zu theoretisch scheinen.
Betrachten wir nun jedoch die verbindlichen Leselisten in den Modulbeschreibungen vieler deutscher erziehungswissenschaftlicher Studiengänge, so fällt auf, dass dort weiterhin Originaltexte von pädagogischen Klassikern zur Vorbereitung der Prüfungen vorausgesetzt werden. weiterlesen

KLAUS FITSCHEN
Antinomie: ein Thema in Litts Philosophie und Pädagogik auch in theologischer Sicht

Was Theodor Litt immer wieder interessant macht, ist seine Zeitgenossenschaft als Philosoph und Pädagoge und — gerade aus der Sicht des Theologen natürlich —seine Beziehung zur christlichen Überlieferung. Dabei war Litt ein Wissenschaftler im Durchgang durch die politischen Systeme; spannender geht es kaum in einer Wissenschaftsbiographie.
Das Stichwort Antinomie gehört in diesen Rahmen hinein, denn es dient letztlich der Interpretation historischer Erfahrung in diesen Systemen unter ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen: der vielberedeten Krise der Weimarer Republik, der Gleichschaltung des Geistes im Nationalsozialismus und der Erfahrung einer dynamischen und nicht zuletzt technischen Modernisierung in der frühen Bundesrepublik.
Es lohnt sich, Theodor Litt in seinem Denken über Antinomie in einer historischen Spannweite zu folgen. Litt konstatierte 1924 in der Schrift „Die Philosophie der Gegenwart und ihr Einfluss auf das Bildungsideal”: „Wenn so etwas wie deutsche Bildung sein oder werden soll, so muß es einer von den schmerzlichsten Dissonanzen und schier unauflösbaren Antinomien zerrissenen Wirklichkeit abgewonnen werden.” weiterlesen

SHINJI NOBIRA
Probleme der politischen Bildung im Zeitalter
unübersichtlicher Wissenschaft und Technik
Einleitung In diesem Beitrag gebe ich zunächst eine Übersicht (1) über die inhaltlichen Ebenen und Akzente des Vortrages von Theodor Litt „Die öffentliche Verantwortung der Wissenschaft”‘. Es schließt sich eine Analyse an über die Situation der spezifisch akademischen Forschung an den Universitäten in Japan in Verbindung mit einem Vergleich zu den Ausführungen Theodor Litts (2). Basierend auf den Konzepten von Hans-Georg Gadamer und Aristoteles folgt eine Diskussion der nichtdualistischen Konzepte des Praxisbegriffs, die fir die Betrachtung der Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaftsleben wichtig sind (3). Von dieser Ausgangslage ausgehend, erörtere ich sowohl die besondere Verantwortung der Wissenschaft (4) als auch die der Zivilbevölkerung zur Notwendigkeit einer engagierten Mitwirkung an der politischen Bildung. (5) weiterlesen