Texte zur Politik
Alle folgenden Texte aus den Theodor-Litt-Jahrbüchern, Leipziger Universitätsverlag, herausgegeben von Peter Gutjahr-Löser, Dieter Schulz und Heinz-Werner Wollersheim, werden nachstehend online als zitierfähige Quelle (pdf) zur Verfügung gestellt.
Heinz-Werner Wollersheim
Theodor Litt: Sinn – Kultur – Bildung Versuch einer Annäherung Im Mittelpunkt dieses Vortrags steht die Frage nach der möglichen Aktualität des pädagogisch-kulturphilosophischen Ansatzes bei Theodor Litt. Der „Rückkehrer“, als den das Tagungsthema Litt heute anspricht, ist in Leipzig gewiß kein Unbekannter. Neben seinen Schriften und Vorträgen, neben den Erinnerungen seiner noch lebenden Schüler und Freunde und neben den Veranstaltungen, die ihm in den 90er Jahren hier in Leipzig gewidmet waren, hat nicht zuletzt die Polemik der frühen DDR dazu beigetragen, seinen Namen in Leipzig bekannt zu halten. In Erinnerung ist Litt als faszinierender Redner, als couragierter Hochschullehrer und, vor allem natürlich, als widerständiger Bürger unter zwei deutschen Diktaturen. Wäre dies alles, so wäre es sicherlich bereits mehr Grund als genug, Theodor Litt in der Geschichte der Universität Leipzig ein besonders ehrendes Andenken zu bewahren. weiterlesen
Carsten Heinze
„Die Verhältnisse sind von Semester zu Semester unerträglicher geworden”
Litt 1930 bis 1936 I. Vorbemerkung Zeitsignaturen der politischen Geschichte, an denen sich Epocheneinteilungen orientieren, verstellen oft den Blick auf das Leben und Wirken des Einzelnen wie auch auf Entwicklungslinien bzw. deren Unterbrechung. So orientiert sich der zeitliche Rahmen dieses Vortrages an wesentlichen Zäsuren im Leben Theodor Litts. Mit Litts Rektoratsjahr 1931/32 als Ausgangspunkt soll bewußt dem 30. Januar 1933 vorgegriffen werden, um Litts Positionen in der Endphase der Weimarer Republik einbeziehen zu können. Die Einreichung seines Emeritierungsgesuches vom 28. Oktober 1936 bildete für Theodor Litt den Abschluß eines Prozesses, in dem er sich schrittweise von seinem Amt als Hochschullehrer löste. In der Darstellung können angesichts der Fülle des Materials nur ausgewählte Aspekte berücksichtigt werden. weiterlesen
Eva Matthes
Theodor Litts Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus
nach dem 8. Mai 1945 Einleitung Meine These lautet: Litts Werk nach dem 8. Mai 1945 läßt sich in weiten Teilen als direkte bzw. indirekte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus interpretieren. Litt wollte am Aufbau einer Staats- und Gesellschaftsordnung mitarbeiten, die ein Gegenmodell zum Nationalsozialismus darstellen sollte. In diesem Beitrag können nur ausgewählte Aspekte — und diese nicht umfassend — beleuchtet werden, wobei die direkte Auseinandersetzung im Zentrum steht. Hierbei dominierten in Litts Vorträgen und Veröffentlichungen folgende Themenkomplexe: Schuld und Verantwortung; Ursachen des Nationalsozialismus; Widerstand; Die Haltung der Universitäten; Eigene Wandlungsprozesse. weiterlesen
Eva Matthes
„Das Trümmerfeld, auf dem wir zum Schluß stehen werden,
das kann ich mir vorstellen”: Litt 1937 bis 1945 Litts Rücktritt aus dem Herausgeberkreis der Zeitschrift „Die Erziehung”
Am 27. Januar 1937 hielt Litt in Leipzig vor dem Verband der Freundinnen junger Mädchen e. V. einen Vortrag über „Das Verhältnis der Generationen als sittliches Problem”. Auf Wunsch Wilhelm Flitners bereitete er diesen Vortrag zur Veröffentlichung in der „Erziehung” vor und schickte ihn am 15. April an diese. Er hatte allerdings damit gerechnet, daß der Text wegen oppositioneller Tendenzen von dem Schriftleiter Fritz Blättner abgelehnt werden würde, wie aus einem Brief an Spranger vom 14. April 1937 hervorgeht. Allerdings wollte er es wohl nochmals genau wissen. Leider befindet sich im Nachlaß zu diesem Vortrag kein Vortragsmanuskript; aus seinen späteren Veröffentlichungen zum Generationenverhältnis — „Vom Verhältnis der Generationen” (1943); „Das Verhältnis der Generationen ehedem und heute” (1947) — und seiner darin wie auch in Vorträgen deutlich werdenden, auf eigenen Erfahrungen beruhenden Einschätzung, daß der Nationalsozialismus Anfang der 30er Jahre nicht zuletzt eine „Jugendbewegung” gewesen sei bzw. sich als solche darzustellen versuchte, kann man sich die kritischen, gegen den Nationalsozialismus gerichteten Aussagen gut vorstellen. 1947 etwa formulierte Litt: „Und als die Wellen der ersten Erregung abgeebbt waren, da blieb es doch bei einem System der organisierten Überwachung, das die Jungen als Aufseher, Ankläger und Richter über die Älteren setzte und so gereifte Männer den Demütigungen einer anmaßlichen Zensurierung auslieferte” (S. 47). weiterlesen
Solveig Diettrich
Alfred Baeumler: Begegnung mit Theodor Litt’
Eine „kritische” Erwiderung auf Litts „Der deutsche Geist und das Christentum”
Theodor Litts 1938 erschienene Gegenschrift zu Rosenbergs „Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit” stellte eine der wenigen Auseinandersetzungen mit dem Grundlagenwerk der nationalsozialistischen Weltanschauung dar, die auf einem rein wissenschaftlichen Diskurs basierte und der offensichtlich zugleich die Intention zur Schaffung eines Diskussionsrahmen zugrunde lag, der sich nicht in den Grenzen der für die nationalsozialistische Wissenschaftsauffassung typischen Maxime „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns” bewegen sollte. So schließt Litts Vorwort mit dem Zitat des Rosenberg-Wortes: “Dem forschenden ehrlichen Gegner wird jeder wirkliche Streiter Respekt bezeugen.” Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wie Litts Bemühungen, den „Mythus” wissenschaftlich zu untersuchen und zu widerlegen, auf Seiten der nationalsozialistisch-weltanschaulichen Denker aufgegriffen wurde. Dass hierfür Alfred Baeumlers Aufsatz “Begegnung mit Theodor Litt” das Beispiel bildet, hat mehrere Ursachen: Zum einen erschien Baeumlers “kritische” Stellungnahme in der Zeitschrift „Weltanschauung und Schule” nur einen Monat nach der Veröffentlichung von Litts Buch. Zum anderen spricht das Verhältnis zwischen Baeumler und Rosenberg für eine solche Betrachtung. weiterlesen
Arnulf Kutsch/ Nadja Töpp Erwachsenenbildung und Leserforschung.
Zu den Beziehungen zwischen Walter Hofmann und Theodor Litt
In den Forschungsarbeiten über das wissenschaftliche Werk und die vielfältigen Aktivitäten von Theodor Litt finden sich bestenfalls marginale Hinweise auf Walter Hofmann, andererseits wird Theodor Litt in den wissenschaftlichen Untersuchungen über die Tätigkeit von Walter Hofmann nur am Rande erwähnt. Verschiedene Materialien in der erst teilweise erschlossenen dienstlichen Hinterlassenschaft von Hofmann in der Stadtbibliothek Leipzig sowie in seinem privaten Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach, insbesondere in seiner dort überlieferten privaten Korrespondenz, legen die Annahme nahe, dass es das Engagement auf unterschiedlichen Gebieten der Erwachsenen- bzw. Volksbildungsbewegung war, das Hofmann und Litt zu Beginn der 1920er Jahre in Leipzig zusammenführte, wo Hofmann seit 1914 Direktor der Städtischen Bücherhallen war und Litt seit 1920 den Lehrstuhl für Philosophie und Pädagogik inne hatte und das Institut für Erziehung, Unterricht und Jugendkunde sowie dessen Philosophisch-Pädagogisches Seminar leitete. Aus diesen und weiteren gedruckten und ungedruckten Quellen lässt sich in Umrissen erkennen, wie sich die Beziehung zwischen Hofmann und Litt, über deren Anfänge keine gesicherten Aussagen gemacht werden können, im Laufe der Jahre entwickelte und nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur bis zum Tod von Hofmann 1952 durchaus freundschaftliche Züge gewann. weiterlesen
Kurt Aurin
Theodor Litt — Das Selbstverständnis der Nachkriegszeit —Naturwissenschaft, Technik und Atom I. Anlass der Abhandlung „Weit entfernt, in seiner Entscheidungsgewalt durch den Machtanspruch der entfesselten Naturkraft abgelöst zu werden, findet sich der Mensch des ‚Atomzeitalters’ mit der Last einer Verantwortung beladen, wie sie so schwer noch nie auf menschlichen Seelen gelegen hat.”
Zu dieser Feststellung gelangt Theodor Litt am Schluss einer Abhandlung, die das Selbstverständnis der 50er Jahre, der Nachkriegszeit, zum Gegenstand hat. Mit dieser Abhandlung hat es seine besondere Bewandtnis: Sie wurde für ein Handbuch politisch-historischer Bildung verfasst, das 1957 in zwei Bänden unter dem Titel „Schicksalsfragen der Gegenwart” erschien und ein Geleitwort von Franz-Josef Strauß, dem damaligen Verteidigungsminister, enthält. Das Handbuch entstand aus der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Soldaten; es war vor allem für Soldaten der Bundeswehr geschrieben, sollte aber gleichfalls den zivilen Staatsbürger ansprechen. Das Buch war als Hilfe zum Verständnis der Vergangenheit und der Gegenwart mit ihren vielfältigen Problemen gedacht, sollte zum Nachdenken anregen und zur Diskussion auffordern. Es enthält u.a. Erörterungen über „Deutschland und Europa”, über „Volk, Nation und Staat im 20. Jahrhundert”, über „Deutschland jenseits des eisernen Vorhangs”, „Die Französische Revolution und der moderne Staat”, „Die sowjetische Gesellschaftslehre”, „Europäische Ostpolitik” sowie „Die Wehrmacht und der politische Widerstand gegen Hitler”. Der Einleitungsartikel, der sich mit der Frage auseinandersetzt „Wie versteht unser Zeitalter sich selbst?” stammt von Theodor Litt. weiterlesen
Jan Gülzau
Theodor Litt — Carl Friedrich Goerdeler.
Eine ergänzende Quellensicherung Kaum dass sich der Professor für Philosophie und Pädagogik an der Universität Leipzig Theodor Litt am 28.10.1936 schriftlich mit dem Ministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung in Verbindung gesetzt hatte mit der Bitte, seinem Wunsch nach vorzeitiger Emeritierung zu entsprechen, da folgte auch schon der nächste Rücktritt. Am 25.11.1936, also ziemlich genau zwei Wochen, nachdem die nationalsozialistische Stadtverwaltung die Abwesenheit ihres obersten Dienstherrn dazu genutzt hatte, das Denkmal des jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy vor dem Neuen Gewandhaus zu entfernen, stellte auch Leipzigs Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler sein Amt zur Verfügung. Damit verlor die Messestadt im Herbst 1936 binnen eines Monats gleich zwei bedeutende oppositionelle Köpfe, die den nationalsozialistischen Umwälzungen in Staat und Gesellschaft seit 1933 getrotzt hatten. Gleichwohl sind der Zeitpunkt als auch die demonstrative Art und Weise ihres Rückzugs keineswegs die einzigen Gemeinsamkeiten, welche die beiden miteinander teilten. weiterlesen